125 Jahre ÖTB Meidling 1886 – im Wandel der Zeit
Über 125 Jahre ist es nun her, seitdem sich einige Meidlinger Bürger zusammengefunden haben, um einen Turnverein zu gründen. Die konstituierende Vollversammlung fand im Jänner 1887 statt. Als erster Obmann wurde damals Carl von Klezar ins Amt gehoben.
Die Gründerväter des Meidlinger Turnvereines handelten im Geiste des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, der die Turnerei begründet hat. 1811 wurde von F.L. Jahn der erste Turnplatz auf der Hasenheide bei Berlin gegründet. Er war ein außerordentlich schöpferischer Mensch, der wie kein anderer das Turnen geprägt hat.
Berstärkt und angeregt durch die Bedrohung von außen, durch das Großmachtstreben Napoleons, war mit der Turnbewegung auch ein erstarkendes Nationalbewusstsein verbunden, das auch 75 Jahre später, zur Zeit der Gründung unseres Vereines eine große Rolle spielte.
Meidling war 1886 noch ein Teil Niederösterreichs. In Scheibbs wurde die erste elektrische Straßenbeleuchtung angedreht. Carl Benz meldete gerade sein Patent für das erste motorisierte Automobil an. Die erste Geschirrspülmaschine wurde von Frau Cochrane entwickelt – wahrscheinlich eine der hilfreichsten Erfindungen dieser Zeit. Und Coca Cola – ein Mittel mit Extrakten aus der Coca-Pflanze – wurde von einem Herrn namens Pemperton entwickelt und als Medizin angepriesen.
Chronologisch betrachtet ging unserer Vereinsgründung als bemerkenswertes Meidlinger Ereignis 1884 die Gründung der Turnerfeuerwehr voraus, die in den ersten Jahren ihres Bestehens enge Verbindungen zum Verein hatte. Die in vielen Städten von Turnern gegründeten Feuerwehren haben zum Teil bis heute die 4 F (Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei) als Symbol auf Häusern stehen und grüßten sich früher mit – Gut Heil – wie wir es im Turnverein heute noch tun. Die Meidlinger Feuerwehr hatte sich vorallem beim Brand in Weigls Dreherpark verdient gemacht, einer der größten Vergnügungsgaststätten dieser Zeit in Wien, mit mehreren großen Sälen, in denen auch die Meidlinger Turner viele Veranstaltungen abhielte.
Die Betonung des Nationalen gewann an Bedeutung wie in vielen anderen Bewegungen und Vereinen dieser Zeit auch. Das Nationalgefühl verstärkte sich parallel in allen Völkern der damaligen K&K Monarchie. In Österreich war Georg Ritter von Schönerer der politische Vertreter dieser deutschnationalen Gesinnung. Daher wurde im Meidlinger Turnverein 1890 eine Georgskneipe gegründet. Antisemitische Tendenzen waren leider auch in unserem Verein – wie in vielen Vereinen dieser Zeit – zu erkennen.
Die Meidlinger Turner waren offensichtlich keine Kinder von Traurigkeit, wie man den zahlreich erhaltenen Dokumenten über Einladungen zu Ulkabenden und Turnerkränzchen entnehmen kann. Gefeiert wurde viel und gerne.
Der 1. Weltkrieg setzte alledem ein jehes Ende. Zumindest 26 Meidlinger Turner wurden einberufen. Davon ist laut Aufzeichnungen 1 gefallen, 1 krankheitsbedingt verstorben und 3 sind vermisst.
Es folgte eine Turnpause bis 1917 und in der Folge wieder ein langsamer Aufbau des Turnbetriebes. 1919 wurde die erste Nachkriegsturnratssitzung mit dem alten und wieder neuen Obmann Klemens Scheibler abgehalten. Erst in der Nachkriegszeit gab es auch die ersten Frauenturnstunden.
Der Verein erlebte in den 20er-Jahren einen Aufschwung wie viele andere Turnvereine auch. Turnfeste, wie das erste Bundesturnfest in Linz 1921, Vereins-, Bezirks- und Kreisturnfeste, sowie Turnfeste des Deutschen Turnbundes waren eine willkommene Abwechslung im Alltag und gaben Anlass zu gemeinsamen Fahrten.
Auch die Wanderriege war in dieser Zeit hoch aktiv.
Auf diesem Bild seht ihr unter anderem den Barren, der etwas später in der Badehütte in Kritzendorf Verwendung fand. (obere Reihe von links: Tbr. Veit, Wöhrl, Farschneritsch- Heimatdichter, Obmann – Klemens Scheibler, ganz rechts Krombas- ein Burenheld / untere Reihe: 2. von links dürfte eine Lehner sein)
1926 zum 40. Bestandsjubiläum unseres Vereines fand auch das 2.Bundesturnfest in Wien statt, dass in seiner Größe einzigartig und einmalig gewesen sein dürfte, mit rund 10.000 Turnern und Turnerinnen bei den Festfreiübungen am Trabrennplatz.
Um 1930 dürften die Meidlinger Turner den Entschluss gefasst haben, eine Badehütte in Kritzendorf bei Klosterneuburg zu bauen. Bis 1985 war diese Badehütte im Eigentum des Turnvereines und wurde später aus finanziellen Gründen an die Familie Lehner verkauft.
Kritzendorf war der Strand der Meidlinger. Viele nette Bilder im Vereinsarchiv von akrobatischen Übungen, Zillenfahrten und anderen Aktivitäten stammen aus dieser Zeit.
Der 2. Weltkrieg bedeutete für den Verein eine Auflösung, da der Verein 1938 im Reichsbund für Leibesübungen aufging. Der Turnsaal musste geräumt werden, um einem Lazarett Platz zu machen. Der Turnbetrieb lief aber angeblich in einer reduzierten Form während des Krieges weiter.
1952 folgte die Wiedergründung des Vereines und 1959 durch den federführenden Einsatz von Tbr. Götz die Rückgabe des Vereinsvermögens.
1956 wurde von Tbr. Dr. Gerhard Lehner der neue Wimpel an die Turnerjugend übergeben.
Aus den 60er Jahren sind nur wenige Dokumnte vorhanden, die das Vereinsleben abbilden.
Auch die Turnerriege aus den 70er Jahren konnte feiern – wie man auf diesem Bild aus dem „Partykeller“ sieht.
Gemeinsame Bergturnfeste und bereits seltener Aktivitäten in Kritzendorf waren aber ebenso an der Tagesordnung.
Ende der 70er Jahe strömte Zuwachs aus dem Tv Liesing zu uns – insgesamt 30 Turngeschwister wechselnden den Verein aufgrund von Unstimmigkeiten.
Ein sehr musikalischer Zuwachs wie sich herausstellte. Ein Spielmannszug wurde ins Leben gerufen. Volkstanz- und Singabende wurden veranstaltet und Konzertfahrten u.a. nach Norwegen, Südungarn und Siebenbürgen wurden Anfang der 80er Jahre durchgeführt.
1982 folgte dann die Weihe der neuen Vereinsfahne. Die alte ging angeblich in den Kriegswirren 1945 verloren.
Erwähnenswert sind aber auch die Leistungen der damals stark vertretenen Riege der Orientierungsläufer, die einige Meistertitel erlangten und in der Gruppe mit Gersthof die Tio Mia 1984 gewannen, den damals größten OL Bewerb Österreichs.
Auch die schönen Ferienlager auf der Neuhofalm in Obertauern in den 80er Jahren sind bei vielen Meidlingern in guter Erinnerung.
Mein erstes Turnfest war 1986 in Krems. Dieter Sch. hat damals mit hohem persönlichem Einsatz eine Mannschaft für den Wimpelwettstreit zusammengezimmert. Er war es auch der in den personell schwierigen Zeiten die Kraft aufgebracht hat, um uns persönlich und am Telefon für Wettkämpfe zu begeistern – mit dem Langzeiterfolg, dass feste Freundschaften daraus entstanden und die neue Generation an Amtswaltern geformt wurde.
Es folgten das Bundesjugendtreffen in Gmunden, das Bundesturnfest in Graz 1991, das Turnfest in Amstetten, wo wir – auch wenn es nicht so scheint – Einigkeit zeigten (siehe rechts) und viele weitere gemeinsame Aktivitäten und Turnfeste, wie die Bundesturnfeste in Krems 1996, in Salzburg 2001 und in Linz 2006.
Nicht zu vergessen sind die vielen gemeinsamen Wettkämpfe und Ferienwochen, wie die Schiwochen in Tulfes und Bad Goisern, wo auch viele Jugendliche aus anderen Wiener und niederösterreichischen Turnvereinen teilnahmen.
Beim ersten Bundeswimpelwettstreit für Erwachsene 1999 in Wien wurden wir stolze Bundesvizemeister und gewannen die Wiener Wertung.
Auch in den letzten 15 Jahren war das Vereinsleben bunt und vielfältig. Ob beim Schifahren, Singen, Tanzen, Reden, Schießen, beim Basketball, beim Gerätturnen oder bei der Leichtathletik. Jahnsches Turnen wurde bei uns immer aus Überzeugung gelebt.
Herbert Heidler als Obmann, Ilse Heidler, Karin Kowarik, Ingrun Landgraf, Gerhard Zwinz, Rolf Dieter Dessovic und viele andere haben den Verein durch die letzten 20 Jahre geführt und viel Positives bewirkt.
Die 10 Leitsätze im ÖTB stehen für die Ideale der Turnbewegung heute. Wir leben sie vor und schaffen damit den schwierigen Spagat zwischen Tradition und Modernität und führen den Verein in eine hoffentlich blühende Zukunft.